Mit der digitalen Literaturgeschichte möchte ich insbesondere meine historisch-hermeneutischen Forschungen und Editionsprojekte um neue Verfahren und Darstellungsweisen ergänzen.
Digitale Textanalyse
Mithilfe von Methoden der digitalen Textanalyse werden Eigenschaften wie Stil, Figurennetzwerke, Wertungen oder Emotionen in Texten analysiert. Teilweise geschieht das nur automatisch, teilweise zeichnen zunächst menschliche Annotatoren Phänomene in Texten aus und mit diesen Daten werden Algorithmen trainiert. Die jüngste Entwicklung in diesem Bereich sind neuronale Netze, die mit Sprachdaten gefüttert sind.
Im DFG-Forschungsprojekt Emotions in Drama habe ich zusammen mit Kollegen aus der Medieninformatik der Universität Regensburg Methoden zur digitalen Emotionsanalyse von deutschsprachigen Dramen von 1650-1815 entwickelt. Nach der Erarbeitung historischen Emotionskonzepten und Annotationsrichtlinien für Emotionen wie z.B. Freude, Leid, Ärger oder Bewunderung haben wir inzwischen 18 Dramen mit Emotionen annotiert und die Annotationen ausgewertet. Ein KI-gestütztes Sprachmodell (gbert), in dem die Bedeutung von Wörtern kontextabhängig erfasst werden kann, wurde mit diesen Annotationen auf die Erkennung von Emotionen in Dramen trainiert. Dadurch konnten einerseits die Beschränkungen der digitalen Dramenanalyse überwunden werden, die mit rein strukturellen bzw. stark reduktiven inhaltlichen Ergebnissen bisher in der traditionellen Literaturwissenschaft wenig anschlussfähig war. Andererseits hat die Analyse von Emotionszuschreibungen für 300 Dramen bereits die ersten neuen Erkenntnisse geliefert: ‚Ärger‘ ist beispielsweise eine distinktive Emotion für Komödien gegenüber Tragödien (vgl. Dennerlein/Schmidt/Wolff 2023), der Emotionsausdruck in Regiebemerkungen nimmt schon ab 1730 (und nicht erst ab 1770) deutlich zu (vgl. Dennerlein/Schmidt/Wolff im Druck) und der Erfolg von populären Komödiengenres korreliert mit hohen Anteilen an Schadenfreude (vgl. Dennerlein/Schmidt/Wolff 2023).
Digitalisierung
Unter Digitalisierung wird der gesamte Workflow vom Bilddigitalisat über das Roh-OCR bis zur Erfassung von Seitensegmenten und die Auszeichnung mit TEI verstanden. Anders gesagt: Zunächst müssen Textseiten digital gesannt, dann müssen die Schriftzeichen erkannt, abschließend müssen Informationen wie Kapitelumbrüchen, Randnotizen, Akte, Szenen, Sprecherbezeichnungen, Verse, Versgruppen etc. ausgezeichnet werden, damit sie später automatisch erkannt werden können. Ich interessiere mich insbesonder für die Erweiterung des digital verfügbaren Dramenkorpus‘ für deutschsprachige Dramen von 1600-1850. Dazu werden einerseits Metadatenlisten erstellt, die Subgattungen und Werke mit ihren Fassungen und Exemplaren berücksichtigen, andererseits werden neue Volltextkorpora erschlossen.
Kooperationsprojekt mit Google und der Österreichischen Nationalbibliothek zur Erschließung der digitalen Dramenbestände von 1600-1815
Digitalisierung von Libretti der Hamburger Gänsemarktoper von 1678-1730 in Kooperation mit dem Zentrum für Philologie und Digitalität „Kallimachos“
Digitalisierung von Dramen von Frauen um 1800.
Publikationen
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Wolff, C. (in print). Emotions in Stage Directions in German Drama of the Early Modern Period: Explorations via Computational Emotion Classification. In: Melanie Andresen/Nils Reiter/Benjamin Krautter/Janis Pagel (Hg.): Computational Drama Analysis: Reflecting methods and interpretation. Berlin/New York: de Gruyter, S. 166-194.
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Wolff, EmoDrama. Ein Korpus mit Emotionsinformationen in Dramen von 1650–1815. In: Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften 8 (2023). 21.12.2023. HTML / XML / PDF. DOI: 10.17175/2023_010
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Wolff, C. Computational Emotion Classification for genrecorpora of German Tragedies and Comedies from 17th to 19th century. Digital Scholarship in the Humanities (DSH). https://doi.org/10.1093/llc/fqad046
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Wolff, C. Emotion courses in German Historical Tragedies and Comedies. In Book of Abstracts DH 2022. Tokyo, Japan 2022, S. 193-197.
Brandes, Ph., Dennerlein, K., Jacke, J., Marshall, S., Pielström, St., Schneider, F.. Modelling and Operationalizing Concepts in Computational Literary Studies. In Book of Abstracts DH 2022. Tokyo, Japan 2022, S. 70-73.
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Wolff, C. Emotionen im kulturellen Gedächtnis bewahren. In DHd 2022 Kulturen des digitalen Gedächtnisses. Book of Abstracts, DHd 2022. Potsdam 2022. https://doi.org/10.5281/zenodo.6327957
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Wolff, C. Figurenemotionen in deutschsprachigen Dramen annotieren. Zenodo 2022
https://doi.org/10.5281/zenodo.6228151
Schmidt, T., Dennerlein K. & Wolff, C. Evaluation computergestützter Verfahren der Emotionsklassifikation für deutschsprachige Dramen um 1800. In DHd 2022 Kulturen des digitalen Gedächtnisses. Book of Abstracts, DHd 2022. Potsdam, 2022.
https://doi.org/10.5281/zenodo.6328169
Schmidt, T., Dennerlein, K., & Wolff, C. Emotion Classification in German Plays with Transformer-based Language Models Pretrained on Historical and Contemporary Language. In Proceedings of the 5th Joint SIGHUM Workshop on Computational Linguistics for Cultural Heritage, Social Sciences, Humanities and Literature 2021, S.67-79.
https://doi.org/10.18653/v1/2021.latechclfl-1.8
Schmidt, T., Dennerlein, K., & Wolff, C. (2021). Towards a Corpus of Historical German Plays with Emotion Annotations. In 3rd Conference on Language, Data and Knowledge (LDK 2021). Dagstuhl, Germany: Schloss Dagstuhl-Leibniz-Zentrum für Informatik 2021
https://doi.org/10.18653/v1/10.4230/OASIcs.LDK.2021.9
Schmidt, T., Dennerlein, K. & Wolff, C. Using Deep Learning for Emotion Analysis of 18th and 19th Century German Plays. In: Burghardt, M. et al. (Edt.). Fabrikation von Erkenntnis: Experimente in den Digital Humanities. Esch-sur-Alzette: Melusina Press 2021
https://doi.org/10.26298/melusina.8f8w-y749-udlf
Schmidt, T., Burghardt, M., Dennerlein, K., & Wolff, C. Sentiment Annotation for Lessing’s Plays: Towards a Language Resource for Sentiment Analysis on German Literary Texts. In: 2nd Conference on Language, Data and Knowledge (LDK 2019). Leipzig, Germany 2019
http://ceur-ws.org/Vol-2402/paper9.pdf
Dennerlein, K. Netzwerke medialer Formationen der Dramen- und Theaterhistorio-graphie. Eine Analyse großer Dramensammlungen im 18. Jahrhundert. In: Comparatio. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft 12 (2020), Heft 2. Themenheft „Theaterhistoriographie und Digital Humanities”, hg. von Kirsten Dickhaut und Gabriel Viehhauser, S. 145–161.
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Burghardt, M. „Kann man denn auch nicht lachend sehr ernsthaft sein?” – Zum Einsatz von Sentiment Analyse-Verfahren für die quantitative Untersuchung von Lessings Dramen. Book of Abstracts, Digital Humanities Deutschland 2018.
Dennerlein, K., Schmidt, T. & Burghardt, M. Sentiment Annotation of Historic German Plays: An Empirical Study on Annotation Behavior. In: Sandra Kübler, Heike Zinsmeister (Hg.): Proceedings of the Workshop on Annotation in Digital Humanities (annDH 2018) Sofia, Bulgaria 2018, S. 47-52.
Dennerlein, K. Measuring the average population densities of plays. A case study of Andreas Gryphius, Christian Weise and Gotthold Ephraim Lessing. Semicerchio. Rivista di poesia comparata LIII (2015), S. 80–88.
[als Katrin Fischer] Literaturwissenschaftliche Grundbegriffe online (LiGo). In: Forum Computerphilologie <http://computerphilologie.digital-humanities.de/jg06/fischer.html> (31.06.2006); Druck im Jahrbuch für Computerphilologie 8 (2006), S. 127–134.
Konferenz
Tagung „Computer-based analysis of drama and its uses for literary criticism and historiography, 12–13 March 2015, Munich, Bavarian Academy of Sciences and Humanities, Einführung und eigener Beitrag zum Thema „Configuration density as a measurement for differences between comedies and tragedies”. Minutes: https://comedy.hypotheses.org/
Kade-Konferenze „Rewriting Literary History with Algorithms”
Vorträge
Vortrag „Emotion und Gattung“ an der Georg-August-Universtität Götteingen (Romanistisches Seminar) am 20.12.2021.
Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe „Forschungspotential der Digital Humanities in der Buch- und Literaturwissenschaft”an der LMU München zusammen mit Dr. Christian Reul (ZPD Würzburg) zum Thema „Mind the Gap – Über die Digitalisierung einer Lücke in der Literaturgeschichtsschreibung” am 14.07.2021. Folien
Keynote at the workshop „Sentiment Analysis in Literary Studies“ at the University of Graz in February 2021. More Information about the Workshop,
Video to the Keynote: Annotating and quantifying sentiment and emotions in German plays from around 1800
Gutachterin
für das Journal for Digital Scholarship in the Humanities (now DSH), DhD Conference (Digital Humanities Deutschland), Tagung
Organisatorin der „Working Group Sentiment Analysis“ im Schwerpunktprogramm Computational Literary Studies der DFG (SPP 2207/1)
Lehre im Bachelor und Master Digital Humanities Fallsemesters 24 Emotions in Drama around 1800 (half Digital Humanities) SS 24 Übung Digitalisierung, HS Digitale Edition, WS 23/24 HS Digitale Korpora hermeneutisch und digital analysieren SS 23 HS StilometrieWS HS 20/21 HS Netzwerkanalyse, SS 19 HS Editionswissenschaft, WS18/19 HS Thematics vs. Topic Modelling, HS Sentiment analysis vs. Affektlehre in ausgewählten Dramen des 17. und 18. Jahrhunderts, WS 13/14 HS Quantitative Dramenanalyse